BOBBY BRÄUER
In München zuhause
Bobby Bräuer hat klassische französischen Küche gelernt. Große Küchenchefs wie sein Otto Koch, Dieter Müller, André Jaeger und Eckart Witzigmann haben seinen eigenen Stil geprägt. Als Küchendirektor verantwortet der 60-jährige Münchner die Gastronomie in der BMW-Welt, darunter das „EssZimmer“, das vom Guide Michelin regelmäßig mit zwei Sternen ausgezeichnet wird und für den Gault&Millau zu den drei Top-Adressen in München zählt.
Gab es anfangs Vorbehalte, statt in einem Top-Hotel in einem Autohaus zu kochen?
„Als ich den Anruf von Michael Käfer damals in Kitzbühel bekam, konnte ich mir unter der BMW-Welt vor allem kulinarisch nichts vorstellen. Aber die das hier ist ja kein Autohaus, sondern eher ein Gesamtkunstwerk zur Auslieferung der Autos. Wir, das heißt die Käfer-Gastronomie, sind ja als Pächter auch losgelöst von BMW.“
Das heißt aber auch, dass hier Sterneküche nicht präsentiert wird, um wie so oft, das Hotel, in dem sich das Restaurant befindet, zu promoten.
„Ich bin schon ein bisschen stolz darauf, dass wir hier nach gute einem Jahr den Break Even geschafft haben und seitdem schwarze Zahlen schreiben. Wir haben halt das Glück, dass wir eine sehr sehr gute Buchungslage haben. Unsere Gäste sind überwiegend aus München, viele sind Stammgäste, und natürlich haben wir auch internationales Publikum. Leute, die ihr Auto abholen, kommen gar nicht, die gehen eher tagsüber eine Etage tiefer in die Bavarie, essen eine Kleinigkeit und fahren nach Hause.“
Deine Aufgabe hier, geht ja weit über die Führung eines Sterne-restaurants hinaus.
„Wir haben sechs Outlets hier im Haus und noch zwei außer Haus im Museum auf der anderen Straßenseite. Wir können, und das ist einzigartig in Deutschland, von Fine Dining mit 2 Sternen bis zu Events mit 1000 Personen alles autark in einem Haus abwickeln.“
Du hattest Top-Lehrmeister, darunter Eckart Witzigmann, der kürzlich seinen 80sten Geburtstag gefeiert hat. Wie hat sich Deine Küche in den drei Jahrzehnten seit dem Aubergine verändert? Und: Wie würde Witzigmann heute kochen?
„Das ist interessant, dass Du das ansprichst. Der Eckart hat mit dem Johann Lafer ein Kochbuch gemacht, das heißt „Freundschaft“. 50 Rezepte von Eckart, 50 von Johann. Das ging in dem zweiten Lockdown los und wir haben uns auch zuhause gegenseitig besucht. Als Eckart seine 50 Rezepte ausgewählt hatte, haben wir diese Rezepte – letztendlich seine Klassiker – noch einmal gekocht. Es hat riesigen Spaß gemacht, nach ein paar Jahrzehnten mal wieder mit ihm zu kochen. Und mir hat das gezeigt: Seine Küche ist zeitlos. Wenn man die Gerichte anschaut, ob das eine Niere in Kaninchenessenz mit Steinpilz und Lavendel oder ein Zander auf Linsen ist, dann ist das auch heute aktuell. Ja, heute würde man die Gerichte, sagen wir „moderner“ kochen. Leicht war auch schon die Küche im Aubergine, mittlerweile beinhaltet ein Gericht mehr Komponenten, es geht mehr in Details und es wird noch mehr auf die Optik geachtet. Bei den Grundprodukten hat sich nichts geändert. Gewisse Techniken haben sich verändert. – Ich habe nie molekular gekocht – und tue es auch heute nicht. Ich bin nach wie vor ein großer Verfechter der französischen Küche und der Klassik, der Saucen, der Fonds und der Jus. Man merkt auch, dass ein gewisser Revival der klassischen Küche kommt."
Inwiefern haben sich die Gäste verändert?
„Das Konsumverhalten, insbesondere das Trinkverhalten hat sich verändert. Das Sitzen bis nachts um 2 oder 3 Uhr und das Bestellen von großen Flaschen wie Ende der 1980er und in den 1990er Jahren gibt es so nicht mehr, den Trend gab es schon vor Corona. Um auf unsere Klientel zu kommen: Wir haben eine wunderschöne Mischung aus jung und älter, aus Familienessen und Geschäftsessen. Wegen Corona haben wir auf zwei Menüs abgespeckt. Ein vegetarisches Menü und ein normales Menü. Wir sind dabeigeblieben, wir wechseln die einzelnen Komponenten im Menü aber jetzt öfters, das ist der Vorteil – gerade, weil wir so viele Stammgäste haben.“
Eure Stammgäste habt Ihr ja auch während des Lockdowns gepflegt…
„Beim ersten Lockdown haben wir Home-Videos gedreht. Meine Frau Steffi hat gefilmt, ich habe gekocht. Immer mit Produkten aus dem Stammhaus. Beim zweiten Lockdown, das war am 2. November 2020, habe ich Michi Käfer angerufen und gesagt, dass ich nicht zuhause bleibe. Ich habe To-go-Boxen mit verschiedenen Themen entwickelt: Weihnachten, Silvester, Stammgäste, Editions-Box, vergetarische Box, Valentinstag, Barbecue-Box, Muttertags-Box...
Unser Vorteil war natürlich, dass das Stammhaus Verpackungsmaterial aller Art hatte. Meine Mannschaft war in Kurzarbeit. Ich hatte nur fünf Lehrlinge im Haus, die haben mitgemacht und konnten etwas lernen bevor sie Prüfung hatten. Das war schon ein ganz anderes Arbeiten als gewohnt. Ich habe die Anleitungen verfasst und alle Etiketten selbst mit der Hand geschrieben. Wir haben immer Mittwoch und Donnerstag produziert und dann Freitag, Samstag und Sonntag ausgeliefert oder abholen lassen. BMW hat mir einen Oldtimer aus den 1970er Jahren zur Verfügung gestellt, der auch für den Winter zugelassen war. Und mit dem habe ich eine Box pro Tag selbst ausgeliefert.“
Wenn man so viel erreicht hat wie Du, gibt es da noch persönliche Herausforderungen?
„Mal sehen, was noch kommt. Ich fühle mich im Unternehmen sehr sehr wohl. Ich habe viele Freiheiten, was Spaß macht und auch wichtig ist. Mal sehen, was in diesem Unternehmen noch alles passiert. Für etwas Eigenes ist es einerseits zu spät, andererseits ist das Risiko einfach zu hoch. Auch für die Hotels, die sich mit Sterne-Gastronomie schmücken, gilt, dass die Dir das Geld nicht geben, weil Du so nett bist, die wollen auch spätestens ab dem zweiten Jahr eine Rendite sehen. Vielleicht gibt es irgendwann mal ein ganz anderes Projekt, losgelöst von Sterne-Gastronomie. Ich mache mir da keine großen Gedanken."
Vor welchen Herausforderungen steht ein Restaurant wie das ►Esszimmer derzeit – wenn man einmal von der Pandemie absieht?
„Was uns sehr trifft, ist der sprunghafte Anstieg der Lebensmittelpreise, vor allem bei Fisch. Die Preise für Jacobsmuscheln haben sich zum Beispiel verdoppelt. Das hat sich auch mit dem Brexit zu tun, denn frische Ware kommt nicht mehr aus Schottland oder Nordirland, stattdessen wird getauchte Ware aus Norwegen oder Schweden eingeflogen. Früher sind sie noch im Tankwagen gekommen.
Unsere aktuell größte Herausforderung ist, Nachwuchskräfte zu finden. Unsere Arbeitszeiten entsprechen nun mal nicht dem Ideal, insbesondere, wenn man Familie hat. Zudem sind während der Pandemie gerade im Service sind viele abgewandert, die gesehen haben, dass man woanders auch gutes Geld verdienen kann ohne am Wochenende oder abends zu arbeiten.Man muss Gastronomie leben und Gastronomie lieben. Dann ist es wunderschön.“
Impressionen aus dem Esszimmer
Mit einem Klick auf das jeweilige Bild vergrößert es sich. (c) S. Bräuer (7), T. Jochim / BMW Welt by Käfer (1)
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