GRAUBÜNDEN
Die kleine Region der großen Pinot Noirs
Der Weg von der Nordschweiz in den Süden führt über die Autobahn durch das Rheintal. Dabei übesieht man leicht eine der besten Weinbauregionen Europas: die Bündner Herrschaft. Rund um das Städtchen Maienfeld, von Fläsch bis Malans, werden entlang des Rheins auf gerade einmal 400 Hektar in mehr als 70 kleinen Betrieben 42 Rebsorten gekeltert. Unbestrittener Star ist der Blauburgunder.
Die Bündner Herrschaft ist das größte Weinbaugebiet Graubündens, bildet den nördlichsten Teil des Kantons Graubünden im Churer Rheintal und liegt rechtsrheinisch zwischen der Landquart im Süden, dem Rhein und dem St. Galler Oberland mit Bad Ragaz im Westen und Liechtenstein im Norden.
Benannt ist die Region nach „vornehmen Herren“, die vor Jahrhunderten durch die Vermittlung von Söldnern zu Wohlstand gekommen waren. Die Schweizergarde im Vatikan ist übrigens ein Überbleibsel des damaligen Geschäftsmodells.
Mildes Klima, Föhn und kalkhaltige Böden schufen hier die perfekte Lage für vorzügliche Weine. Mit rund 400 Hektar ist die Anbaufläche klein und beträgt nur zwei Prozent der Anbaufläche der gesamten Schweiz. Dank naturnaher Bewirtschaftung und klein gehaltenen Erträgen werden erstklassige Trauben geerntet. Die Region liegt in etwa auf gleicher geografischer Breite wie Burgund, allerdings höher. Der Pinot Noir ist hier quasi zuhause, aber auch die Chardonnay-Traube fühlt sich sehr wohl.
„Mein Name sei Gantenbein“ ist ein Roman des Schweizer Schriftstellers Max Frisch, der Liteaturfreunde begeistert. Der Name Gantenbein lässt aber auch die Herzen der Weinkenner höher schlagen. Am Rand des Dorfs Fläsch produzieren Martha und Daniel Gantenbein auf natürliche Weise: Traubengut und Saft fliessen entlang der Schwerkraft, es wird weder gepumpt noch filtriert. Ihre fast schon legendären Weine, vor allem Chardonnay und Pinot Noir, sind weltweit gefragt, aber aufgrund der geringen Mengen teuer und nur in wenigen Restaurants und Geschäften zu bekommen. Der „kostengünstigste“ Gantenbein liegt im Shop bei über 100 Euro, der teuerste derzeit erhältliche bei gut 500 Euro pro 0,7-Liter-Flasche.
Aber keine Angst: So teuer muss ein sehr guter Bündner Wein nicht sein. Gleich neben Gantenbein in identischer Lage und auf identischem Terroir liegt beispielsweise das Weingut Davaz, dessen wunderbare Pinot Noirs zwischen fairen 16 und 40 Euro pro Flasche kosten. Auch der Chardonnay, der neben Riesling-Silvaner, Pinot Gris und Pinot Blanc produziert wird, ist Spitzenklasse. Wie viele andere Winzer der Bündner Herrschaft verzichtet auch dieses Weingut auf Herbizide, Insektizide und Kupfereinsatz. Dass am Nachmittag und Abend die warmen Winde aus dem Süden – gerne auch als „Traubenkocher“ bezeichnet – die Reben zur Nacht hin trocknen, garantiert ein gesundes Klima für die Trauben.
Die kleinen Weingüter der Bündner Herrschaft liegen alle nahe nebeneinander, selbst mitten in den Ortschaften wird fast jeder Quadratmeter für den Anbau der Reben genutzt. Und auch die etwas unbekannteren Weingüter, wie zum Beispiel die der Familien Jan Adank, Hansruedi Adank oder Thomas Marugg in Fläsch, keltern vorzügliche Tropfen.
Die Geschichte der wärmsten Weinregion der Schweiz begann gesichert im 8. Jahrhundert. Damals wurden von den Mönchen vor allem weiße Sorten wie der Completer als Messwein angebaut. Nachdem diese außergewöhnliche Traube über viele Jahre quasi verschwunden war, wird sie inzwischen wieder von einigen jungen Winzern kultiviert. Das Weingut Schloss Salenegg in Maienfeld gilt als ältestes urkundlich erwähntes noch bestehendes Weingut Europas. Den Grundstein legten um das Jahr 950 die Mönche des Klosters Pfäfers. Seit 1068 wird in Salenegg Wein gekeltert. 1654 gelangte das Schloss in den Besitz von Johan Luzi, dessen Familie das Schloss nun seit über 300 Jahren bewohnt und im Top-Zustand erhält. Vieles wurde innen modernisiert, ohne die wunderschöne originale Atmosphäre zu zerstören. Die aktuelle Schlossherrin Helene von Guglberg legt Wert daruf, dass alles, was auf den Böden des Guts wächst, auch verarbeitet wird: Neben Rotwein, Weißwein und Schaumwein werden Destillate, Dessertweine, Traubenschorle und zahlreiche Sorten von delikaten Essigen produziert. Die Verkostung und der Verkauf finden vor dem „Torkel“ (alte Weinpresse) statt.
Die Region ist so klein, dass man nicht unbedingt ein Auto benötigt, um sie zu erkunden. Der Bündner Weinwanderweg führt durch alle vier Dörfer dieser Region – neben Maienfeld sind das Malans, Jenins und Fläsch. Die Landschaft und die Panoramen sind herrlich, die Weingüter liegen nah beieinander. Richtig Spaß macht die Erkundung der Region per E-Bike. In Bad Ragaz, gleich neben der Tamina Therme, ist eine große E-Bike-Station, die vorzügliche Tourenräder mit E-Antrieb und Navi anbietet. Man kann zwischen vielen Touren wählen, für Weinliebhaber und Gourmets wird eine Kulinarik-Tour offeriert. Sie führt von Bad Ragaz in einer großen Runde durch die Orte und Weinberge der Bündner Herrschaft mit kulinarischen Stopps für Vorspeise, Hauptgang und Dessert in drei Restaurants. Die 26 Kilometer lange Tour dauert rund fünf Stunden inklusive der etwa zwei Stunden Fahrzeit. Höhepunkt der Tour ist die Hauptspeise im Restaurant Alter Torkel in Jenins. An warmen Tagen sitzt man auf der wunderschönen Terasse mit Blick auf die Reben. Innen locken heimelige Gasträume. Wenn schließlich im Hotel Schloss Ragaz das Dessert serviert wird, hat man die Tour geschafft.
Wo guter Wein ist, da lässt sich meist auch prima speisen: In den Orten der Bündner Herrschaft finden sich einige feine Restaurants: In der getäfelten Stube des Restaurants Falknis in Maienfeld garantiert Gastgeber und Küchenchef Gion Rudolf Trepp eine sehr gute bürgerliche Küche. Ungewöhnlich ist das neue Domizil von Roland Schmid, 2011 zum Koch des Jahres der Schweiz gewählt und lange Zeit Küchenchef im Grand Resort Bad Ragaz: Er kocht inzwischen im Restaurant Pinot: das einzige – selbstverständlich öffentliche – Restaurant in einer (orthopädischen) Klinik mit Erwähnung im Gault Millau.
In Graubünden ist einer weltbesten Köche beheimatet: Sein kleines, feines Hotel und Restaurant Schloss Schauenstein ist ein besonderes Erlebnis und die Reise wert. Mehr über Andreas Caminada erfahren Sie in unserer kleinen Reportage auf dieser Website mit einem Klick hier.
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Impressionen aus Graubünden
Mit einem Klick auf das jeweilige Bild vergrößert es sich. Fotos: U. Clef und N. Pitaro (1)
E-Bike-Tour durch die Weinberge der Bündner Herrschaft
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