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Genuss ohne Reue – nachhaltig und vegetarisch in der Schweiz

|   Gourmet & Wein

Dass in der Schweiz durchweg eine exzellente Fleischqualität geboten und auf nachhaltig produzierte regionale Produkte großen Wert gelegt wird, ist allgemein bekannt. Dass die Schweiz – und insbesondere die Wirtschaftsmetropole Zürich – seit langem auch ein Eldorado für Vegetarier und Veganer ist, hat sich noch nicht im Rest Europas herumgesprochen. Genuss ist vielfältig und individuell: Egal ob Fleisch, Fisch oder Pflanzen – Hauptsache nachhaltig produziert.

Ganze 123 Jahre hat das älteste vegetarische Restaurant inzwischen auf dem Buckel. Seit 1898 verwöhnt das nach seinem Gründer Ambrosius Hiltl benannte Restaurant mit fleischlosen Spezialitäten aus aller Welt. Der aus Neumarkt in der Oberpfalz stammende Ambrosius verdiente sich auch in der Schweiz als Schneidergeselle mit Nadel, Faden, Schere und Fingerhut seinen Lebensunterhalt bis er sich im Alter von 20 Jahren in Zürich niederließ. 1901 erkrankte er an Gelenkrheuma. Sein Arzt prophezeite ihm den frühen Tod, falls er nicht unverzüglich auf Fleisch verzichten würde. So ging  Hiltl ins 1898 eröffnete „Vegetarierheim“, vom Volksmund damals „Wurzelbunker“ genannt. Ambrosius Hiltl imponierte die fleischlose Kost und vor allem führte sie bei ihm zu einer verblüffend raschen Heilung (und er wurde schließlich über 90 Jahre alt). 1903 heuerte er als Geschäftsführer im Restaurant an und nannte es nach dem späteren Erwerb „Hiltl“. Heute wird das Unternehmen in vierter Generation von der Familie Hiltl geführt, neben dem Stammhaus in der Sihlstraße mit A-la-carte-Restaurant, der ersten vegetarischen Metzgerei der Schweiz und einer Akademie, wo Seminare und Kurse stattfinden, gibt es weitere Restaurants bzw. Selbstbedienungs-Buffets, wo Gäste aus über 100 hausgemachten, oft indisch inspirierten Gerichten, frischgepressten Fruchtsäften und Limonaden wählen. Selbst in einem schönen Zürcher Strandbad, von den Einheimischen liebevoll „Badi“ genannt, am Mythenquai gibt es ausschließlich vegetarisches Essen von Hiltl. Zudem wurden noch mehrere “tibits by Hiltl“ in der gesamten Schweiz initiiert.

Dem Vorbild von Hiltl folgen immer mehr Restaurants und heben die vegetarische bzw. vegane Küche auf ein neues Niveau. Jüngster „Hot Spot“ für Veganer ist das Kle. Das unprätentiöse Lokal im Zürcher Bezirk 3 serviert eine gehobene vegane Küche, die von marokkanischen und mexikanischen Gerichten inspiriert ist, kreiert von der in Spanien geborenen Zineb "Ziti" Hatta. Die frühere Softwareingenieurin lernte u.a. bei Andreas Caminada in Fürstenau und den Roca-Brüdern in Girona. Wir werden sie bei nächster Gelegenheit in „Reisegenuss“ ausführlich vorstellen.

In der Sterneküche bzw. von Sterneköchen wurden schon immer sämtliche Lebensmittel behutsam eingesetzt, allerdings oft leider nach langer „Anreise“. Viele Top-Küchenchefs gestalten ihre Menüs inzwischen unter saisonalen und nachhaltigen Gesichtspunkten. Auf den Tisch kommt vor allem, was in der Region gerade wächst. Und vielerorts stehen nun auch vegetarische bzw. vegane Speisen gleichgewichtig auf der Speisenkarte. Exklusive Hotelgruppen wie Tschuggen u.a. mit dem Eden Roc in Ascona kreieren dafür sogar eine eigene „Marke“, die für einen besonders gesunden Aufenthalt in den Hotels steht: „Moving Mountains“.  Hierzu hat der junge Sternekoch Marco Campanella (17 Punkte Gault Millau, 1 Michelin Stern), den wir demnächst in einem Porträt vorstellen werden, wunderbare Gerichte auf pflanzlicher Basis kreiert. Das Angebot besteht aus ausgewählten, aus der Region bezogenen Zutaten und ist ebenso gesund wie schmackhaft, darunter Campanellas grandiose Ravioli mit Morchelfüllung. Und da die einzelnen vegetarischen Gerichte zum Lunch oder Dinner auch mit Fleisch- und Fisch-Gerichten kombiniert werden können, finden sich so immer Fans für vegane Speisen – und der Fleischkonsum wird reduziert ohne das jemand auf seinen Genuss verzichten muss.

Als ungekrönter Nachhaltigkeits-Weltmeister darf sich der deutsche Koch Mattias Roock fühlen. Seitdem er 2017 das Zepter im Gourmet-Restaurant Locanda Barbarossa im Castello del Sole in Ascona übernommen hat, hat er „nachhaltige Küche“ quasi perfektioniert. Mit Ausnahme von Fleisch und Fisch kommt (fast) alles vom eigenen Gut Terreni alla Maggia, wo auf 150 Hektar Wein, Risotto, Getreide für Pasta, Kartoffeln, Gemüse, Kräuter und Obst direkt beim Hotel und in rund zehn Kilometern Entfernung angebaut werden. Ein Garten Eden für den Küchenchef, denn das, was am Mittag oder Abend benötigt wird, ernten Mathias Roock und sein Team erst am Morgen desselben Tags. In der Locanda Barbarossa (18 Punkte im Gault Millau, 1 Michelin Stern sowie ein "grüner Stern" von Michelin für die Nachhaltigkeit) werden neben Gerichten à la carte auch zwei Degustationsmenüs angeboten. Eines davon ist das „Sapori del nostro orto“ – zu deutsch „Aromen aus unserem Garten“. Hier kann Mattias Roock aus seinem nahezu unendlichen Garten mit einer Vielzahl an Sorten – es gibt alleine über 20 verschiedene Tomaten – schöpfen. Das, was für dieses Menü nicht selbst produziert wurde, kommt von kleinen Lieferanten aus der allernächsten Umgebung, egal ob Rind, Perlhuhn oder Fisch. Inzwischen bestellen über 40% der Gäste dieses Menü beim perfekten Maitre Sergio Bossi und verzichten auf Speisen, die nicht dem Tessin entstammen. Tendenz steigend! Auch Mattias Roock und das Castello del Sole werden wir in Kürze in einem umfangreichen Porträt vorstellen.

Zurück vom Tessin nach Zürich: Wie der heutige Chef Rolf Hiltl hochgerechnet hat, hat das Unternehmen seit 1898 durch den Verzicht seiner Kunden auf Fleisch rund 25 Millionen Tieren quasi "das Leben gerettet". Das kann auch direkt bei Hiltl gefeiert werden: Denn am Stammsitz in der Sihlstraße laden Self & Take Away, Bar-Lounge und Club von frühmorgens bis spätnachts zu Party und gesundem Genuss ein. Essen erleben mit „Beats, Bass & Booze für jedes Tanzfüdli“ – sobald es die Corona-Situation wieder zulässt.

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